
Krafttraining wird oft missverstanden als simples „Pumpen“. Doch in Wahrheit geht es um weit mehr. Es geht um Funktion, Belastbarkeit und Langlebigkeit – darum, dass passive und aktive Strukturen deines Körpers so trainiert werden, dass sie Stöße, Sportbelastungen und Alltagseinflüsse abfedern, ohne Schmerz und ohne Verschleiß.
Die Lendenwirbelsäule bildet dabei die zentrale Basis für jede Form von Rumpfkraft. Ob beim Sprint, Sprung, Squat oder Heben – ein stabiler, kräftiger unterer Rücken ist der Grundpfeiler für Leistung, Haltung und Schmerzfreiheit.
In diesem Beitrag beleuchten wir die historische Entwicklung des Rückentrainings, die Praxis moderner Trainingsmethoden und zeigen, wie du mit wissenschaftlich fundierten Übungen die Rückenstreckermuskulatur (Erector spinae) gezielt aufbauen kannst.
Die Lendenmuskulatur – insbesondere der Musculus erector spinae – steuert Extension, Flexion und Rotation des Rumpfes und stabilisiert die Wirbelsäule.
Sowohl in der Leistungsdiagnostik als auch in der Rehabilitationspraxis gilt: Eine starke, steife Rumpfmuskulatur verbessert die Kraftübertragung, schützt vor Überlastungen und steigert die Effizienz komplexer Ganzkörperbewegungen (vgl. McGill).
In den frühen Jahren des Powerliftings wurde mit minimaler Unterstützungsausrüstung trainiert – die Technik war aufrechte, kniedominante Squats mit engem Stand.
Mit dem Aufkommen spezialisierter Kniebeugeanzüge und breiteren Regelinterpretationen entwickelte sich eine hüftdominante Technik: breiter Stand, mehr Vorneigung, größere Aktivierung der Hüftstrecker.
Diese Stilrichtung ähnelt biomechanisch einer Mischung aus Squat und Good Morning – die Kraft kommt stärker aus der Hüfte, die Belastung für den unteren Rücken steigt.
Diese Technik erlaubt zwar höhere Wettkampfleistungen, kann jedoch zu muskulären Dysbalancen führen, wenn Knie- und Hüftstrecker nicht ausgewogen trainiert werden.
Der legendäre Coach Louie Simmons (Westside Barbell) empfahl daher ergänzend Good Mornings als „Prädiktor-Übung“ für Rückenkraft – weil sie gezielt den unteren Rücken und die hintere Kette stärken.
In der Gewichthebertradition prägten sich zwei Stilrichtungen aus:
Dieser Ansatz gilt bis heute als besonders effizient und verletzungspräventiv, insbesondere im Frauen- und Nachwuchsbereich. Die Ergebnisse sprechen für sich: Chinesische Gewichtheberinnen dominieren seit Jahren die Weltspitze.
Charles Poliquin betonte die gezielte Kräftigung des Erector spinae als fundamentalen Bestandteil jedes Athletiktrainings.
Seine Hypothese des „Irradiation Effects“ besagt: Wird der untere Rücken stärker, überträgt sich diese verbesserte Stabilität auf andere Bewegungen – etwa Military Press, Klimmzüge oder Langhantel-Curls.
Er empfahl insbesondere Langhantel-Back Extensions als Kernübung, um diese Kraftverbindungen aufzubauen.
Prof. Stuart McGill, führender Forscher der Wirbelsäulenbiomechanik, bestätigte diese Sicht:
Ein starker, steifer Core verhindert „Energy Leaks“ – also Energieverluste durch Instabilität – und ermöglicht eine optimale Kraftübertragung von den Hüften über den Rumpf bis in die Extremitäten.
Das ist entscheidend für explosive Lifts wie Snatch, Clean oder Press.
Der Trend zu maschinellen Übungen (z. B. Split Squats, Hex-Bar Deadlifts oder Leg Press) reduziert häufig die Aktivierung der Rückenstrecker.
Deshalb ist eine gezielte Zusatzarbeit entscheidend, um die funktionelle Stabilität des Rumpfes langfristig zu sichern.
Sitzende Varianten (z. B. Seated Good Mornings) sind bei bestehender Rückenproblematik kritisch, da sie Kompressionskräfte auf die Lendenwirbelsäule erhöhen.
Für nachhaltige Anpassungen empfiehlt sich eine Mischung aus Phasen mit niedrigen und hohen Wiederholungszahlen (Poliquin/McGill), um sowohl Kraft als auch Kraftausdauer aufzubauen.
Die nachfolgende Trainingssequenz ist darauf ausgelegt, die Lendenmuskulatur (M. erector spinae) systematisch aufzubauen, die Kraftausdauer zu verbessern und gleichzeitig die Belastbarkeit der Wirbelsäule zu erhöhen.
Das Programm kann am Ende eines Ganzkörpertrainings oder nach Unterkörper-Einheiten integriert werden.
Übung: 45° Back Extension
Sätze: 3 | Wiederholungen: 8–10 | Tempo: 2–0–1–4 | Pause: 120 s
Ziel:
Gezielte Aktivierung der Rückenstrecker mit kontrollierter exzentrischer Phase.
Die vier Sekunden Haltezeit im Endbereich fördern isometrische Kontrolle und verbessern die Spannungstoleranz der Lendenwirbelsäule.
Übung: 45° Back Extension
Sätze: 4 | Wiederholungen: 6–8 | Tempo: 2–0–1–2 | Pause: 120 s
Ziel:
Erhöhung der Trainingsintensität mit Fokus auf strukturelle Anpassungen.
Die zweisekündige Haltephase am oberen Umkehrpunkt steigert die neuromuskuläre Rekrutierung und die Verbindung zwischen Hüft- und Rumpfkraft.
Übung: Seated Good Mornings (Langhantel auf den Schultern)
Sätze: 4 | Wiederholungen: 10–12 | Tempo: 3–0–1–0 | Pause: 120 s
Ziel:
Aufbau von statischer und dynamischer Stabilität unter erhöhter Vorbelastung.
Der Fokus liegt auf Haltungskontrolle und Rumpfspannung über den gesamten Bewegungsablauf.
Diese Variante ist nur geeignet, wenn Phase 1 und 2 bereits sicher beherrscht werden.
Hinweis:
Bei bestehenden Rückenbeschwerden oder Bandscheibenproblemen sollte eine Abklärung durch einen Therapeuten oder Strength Coach erfolgen.
1–2 Einheiten pro Woche genügen, um spürbare Fortschritte zu erzielen.
Nach 6–8 Wochen kann das Programm periodisiert oder durch Reverse Hypers und Romanian Deadlifts ergänzt werden, um die gesamte hintere Kette weiterzuentwickeln.
Weg von maximaler Last um jeden Preis – hin zu intelligentem Programmdesign und funktioneller Stabilität.
Ein starker Erector spinae verbessert nachweislich sämtliche Kraftwerte der unteren Extremitäten, steigert die Leistungsfähigkeit in allen Sportarten und senkt das Verletzungsrisiko. Der entscheidende Hebel ist dabei nicht das blinde Ausreizen klassischer Maximalübungen (z. B. schweres Deadlift), sondern eine strukturierte, progressiv gesteuerte Planung mit klaren Technikstandards.
Konkret heißt das: Weg vom reflexhaften „Kreuzheben für Anfänger“, wenn Technik und Lastniveau (noch) nicht stimmen, hin zu messbarer, stufenweiser Leistungssteigerung – abgebildet durch saubere Progressionen, definierte Tempi, Satzzahl-/Volumensteuerung und zielgerichtete Übungsauswahl. So entsteht belastbare Rumpfstabilität, die Kraft über die gesamte Bewegungskette verfügbar macht – nachhaltig & sicher.
Oder hast du bereits eine Vorbelastung oder Verletzungshistorie und möchtest wissen, welche Übungen wirklich sinnvoll sind?
Dann kontaktiere unser Team – wir verbinden dich mit einem Strength & Conditioning Coach oder Therapeuten, der deinen Rücken Schritt für Schritt wieder leistungsfähig macht.